Green Motion - die Zukunft des Filmemachens ist nachhaltig“

Rückblick: Diskussion auf dem 37. Filmfest München am 30. Juni

 

Panel zu "Green Motion" am 30.6.22 beim Münchner Filmfest
Panel zu "Green Motion" beim Münchener Filmfest 2022: Moritz Vierboom, Christine Rothe, Laura Fischer, Silke Bacher (v.li.n.re.)

Drei Frauen aus der deutschen Film- und Fernsehszene berichteten von ihren Erfahrungen mit den ökologischen Mindeststandards unter dem Motto Green Motion - die Zukunft des Filmemachens ist nachhaltig“ auf Initiative der MFG und der Changemakers.org im Theatersaal des Amerikahauses am 30. Juni auf dem 37. Filmfest München.

Viel Kreativität gefragt

Die Geschäftsführerin und Produzentin Christine Rothe von der Münchener Firma Constantin schilderte die Dreharbeiten zum neuen Film von Doris Dörrie, „Freibad“ und Regisseurin Laura Fischer vom Dreh in Berlin und Schweden zu ihrer Komödie „Fünf Finger sind 'ne Faust“. Bei beiden Produktionen wurde versucht, möglichst wenig Rohstoffe, Verpackungsmaterial und Energie und damit CO2 zu verbrauchen. Dazu zählten auch vegetarisches Catering und Zurückhaltung bei der Verwendung von Fahrzeugen bzw. bei der Unterbringung. Da das titelgebende „Freibad“ bei Doris Dörrie fast der einzige Drehort war, konnte das Team in diesem Fall auf die Herstellung aufwendiger Sets und Umzügen zu verschiedenen Motiven fast völlig verzichten.

Die strahlende Sonne hingegen, die in „Freibad“ zu sehen ist, basiert überwiegend auf Farbkorrekturen in der Postproduktion, beschrieb Christine Rothe, denn ausgerechnet während der Drehzeit im Sommer 2021 herrschte trübes Wetter – und auf zusätzliches Licht wurde aus ökologischen Gründen verzichtet. Anstelle der üblichen, verschwenderischen Akkus kamen sonnenladbare Aggregate zum Einsatz. Auch hier machten die Kreativen die Erfahrung, dass sowohl E-Fahrzeuge als auch Aggregate mitunter schwer zu bekommen waren.

Der Wille zum Wechsel ist vorhanden

Ein Vertreter eines technischen Dienstleisters im Publikum bestätigte, dass die Umstellung z.B. auf LED-Geräte oder Aggregate bei rund 250.000 Euro pro Gerät für die Anbieter*innen zumindest auf kurze Sicht eine Hürde darstelle. Der Wille zum Wechsel sei bei vielen Geschäftsführer*innen zwar vorhanden. Indes setzen manche aus Furcht vor den Anschaffungskosten weiterhin auf die bisherige, energieintensive Technologie. „Die Filmindustrie ist zu klein“, als das hier aufgrund des Nachfragedrucks ein großer Umbruch in kurzer Zeit erwartet werden könne.

Laura Fischer berichtete, dass bereits im Drehbuch die Handlung so konzipiert wurde, dass es nur einen Innendreh geben sollte und ansonsten für alle anderen Szenen das normale Tages- bzw. Abendlicht genutzt wurde. Die größte Herausforderung war eine nächtliche Szene, bei der das Darsteller*innen-Ensemble in einem Wald in Südschweden rund um eine Feuerstelle agierte. „Die Schauspieler*innen konnten wegen des Feuers ihre Umgebung noch erkennen“, so Fischer, „aber das restliche Team stand im Dunklen.“

Auch sonst hatten Cast und Crew angesichts des konsequenten Energiesparkonzeptes so manche Prüfung zu bestehen: keine Trailer oder großen Hotels, sondern Bio-Toiletten und Catering per Fahrrad sowie „Naturkosmetik“, so Laura Fischer, die immer wieder Ängste von Kolleginnen und Kollegen entgegentritt, „dass durch die auferlegte Askese Kreativität verloren gehe“. Im Gegenteil: Man sei viel stärker gezwungen, „sich zu fragen, was man denn für die Dreharbeiten tatsächlich braucht“ und was verzichtbar ist. Die Einschränkungen beim Konsum und Verbrauch bei den Dreharbeiten wurden bald schon als teambildende und motivierende Faktoren erlebt, die auch die Sensibilität für das Thema Nachhaltigkeit gefördert haben.

Kompromisse statt Totalverzicht

Silke Bacher von der Küntler*innenagentur Homebase berichtete von ihren Beobachtungen, dass der Regienachwuchs sich wünscht, „seine Geschichten erzählen zu können“, ohne wegen des Gedankens ans Energiesparen an eine Reduzierung von Locations, Ausstattung oder Produktionsmitteln denken zu müssen. Laura Fischer hat ihre Filmstory nicht komplett auf Nachhaltigkeit zurechtgeschrieben: Die Gruppe im Film fährt einen Hummer-Jeep, der für hohen Spritverbrauch berüchtigt ist – während das Team lediglich mit einem einzigen Sprinter für die Technik auskommen musste.

Für die Umsetzung ökologischer Standards sei es notwendig, dass Green Consultants „mehr verdienen“ und häufiger die Gelegenheit haben, „direkt am Set zu sein“, sagte Christine Rothe: Das Umdenken müsse „selbstverständlich“, aber nicht mit Verzicht assoziiert werden.

Moderator Moritz Vierboom – seines Zeichens Schauspieler – zeigte sich überzeugt, dass die Filmbranche in ihrer Mehrheit einen Weg in Richtung mehr Nachhaltigkeit gehen will, denn sie „ist gewohnt, flexibel auf Situationen zu reagieren.“ Es sei entscheidend, das Vorbild „zu leben“ und mit gutem Beispiel voranzugehen anstatt „mit dem Zeigefinder zu drohen.“ Die anderen Diskutantinnen schlossen sich dieser Einschätzung an: Argumentieren und Vorleben seien die besten Mittel des Überzeugens.

Ein zweites Panel zu nachhaltigerem Produzieren, veranstaltet von Unified Filmmakers, fand auf dem Münchener Filmfest einen Tag später mit dem Titel „Filmemachen im Zeichen des Klimawandels“ mit prominenter Besetzung, unter anderem mit Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke, statt.

Quelle: MFG, Heyne

 

 

Mehr Infos:

Ökologische Mindeststandards

 

Bitte weitersagen. Teilen Sie diesen Beitrag.