Bei einer festlichen Veranstaltung wurde heute Abend (21. Juni 2024) in Stuttgart der Deutsche Dokumentarfilmpreis infünf Kategorien verliehen. Der mit 20.000 Euro dotierte, vom Südwestrundfunk (SWR) und der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg gestiftete Hauptpreis ging dieses Jahr an die Filmregisseurin Jialing Zhang für ihren Film „Total Trust”.
Preise in weiteren Kategorien
Der ebenfalls MFG-geförderte Dokumentarfilm „Goldhammer“ von André Krummel und Pablo Ben Yakov wurde mit dem Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms – Europäisches Medienforum Stuttgart e.V., dotiert mit 3.000 Euro, ausgezeichnet. Der ebenfalls mit 3.000 Euro dotierte Publikumspreis der SWR Landesschau, gestiftet von der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) sowie der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, ging an „Plastic Fantastic“ von Isa Willinger.
Zum vierten Mal verliehen wurde der Ehrenpreis für das Lebenswerk. In diesem Jahr ging er an Ulrike Ottinger. Die Laudatio hielt die ehemalige Geschäftsführerin der Berlinale, Mariëtte Rissenbeek. Für einen dokumentarischen Film aus dem Bereich Musik wurde Jan Heck für seinen Film „Schleimkeim – Otze und die DDR von unten“ der mit 5.000 Euro dotierte Musikpreis des SWR verliehen (im Arsenal Filmverleih, Tübingen).
„Total Trust” von Jialing Zhang
Die Hauptjury hat sich in diesem Jahr dazu entschieden, den Hauptpreis an Jialing Zhang für ihren Film „Total Trust” zu geben. 20.000 Euro Preisgeld, gestiftet vom SWR und der MFG, gehen an die Regisseurin. Die aus China stammende Filmemacherin fängt in ihrem Film „Total Trust” die unheimliche Macht von Big Data und KI ein. Der Film ist ein zutiefst beunruhigender und zugleich bewegender Film über Verwendung und Missbrauch im öffentlichen wie im privaten Leben, über Zensur und Selbstzensur. Mit China als Spiegel schlägt der Film Alarm: Der zunehmende Einsatz von digitalen Überwachungstools ist längst ein globales Phänomen – auch in demokratisch geführten Ländern.
Begründung der Jury: „Ihr Film dokumentiert eindrücklich, dass der stalinistische Unterdrückungsstaat Maos nun mit modernster Überwachungstechnologie lückenlos perfektioniert wird. Die besondere Leistung des Films ist es, diese Investigation mit nahen, intimen Porträts von Regimekritikern zu verknüpfen. […] Jialing Zhangs Werk bietet große Bilder, erhellende Einblicke und berührende Szenen. Eine reale Dystopie in Moll. Dokumentarkino at it’s best.“
„Total Trust“
Deutschland, Niederlande 2023,
Buch und Regie: Jialing Zhang;
Kamera: Cuier (Anonymous), RCS (Anonymous), J.V. Chi (Anonymous); Montage: Barbara Toennieshen, Claire Shen (Anonymous);
Produktion: Filmtank; Co-Produktion: Witfilm, Interactive Media Foundation, ZDF/arte, NTR; Filmförderung: MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, Netherlands Film Fund, CoBO Fund, Eurimages, in Zusammenarbeit mit BBC Storyville, SVT, Chicken & Egg Pictures.
Inhalt: „Total Trust“ ist eine augenöffnende und zutiefst beunruhigende Geschichte über Überwachungstechnologie, Machtmissbrauch und (Selbst-)Zensur. Was passiert, wenn der Schutz unserer Privatsphäre missachtet wird? Anhand eindringlicher Schicksale von Menschen in China, die überwacht, eingeschüchtert und sogar gefoltert wurden, erzählt “Total Trust” von den Gefahren aktueller Technologien wie Big Data und KI in den Händen einer ungezügelten Macht. Mit China als Spiegel schlägt der Film Alarm. Denn der zunehmende Einsatz von digitalen Überwachungstools ist ein globales Phänomen – selbst in demokratisch geführten Ländern. Wenn das die Gegenwart ist, wie sieht dann unsere Zukunft aus?
André Krummel und Pablo Ben Yakov gewinnen den Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms mit dem Film „Goldhammer“
Der mit 3.000 Euro dotierte Förderpreis des Hauses des Dokumentarfilms für ein Erstlingswerk oder einen Hochschulabschlussfilm geht an André Krummel und Pablo Ben Yakov für „Goldhammer“. Der Film begleitet den Werdegang des gebürtigen Marcel Goldammer, der, als deutscher Christ aufgewachsen, zum Judentum konvertiert und in der israelischen Armee dient, sich als Schauspieler betätigt, seinen Namen ändert, später der AfD beitritt, in Tel Aviv und Berlin lebt, sich immer wieder neu erfindet.
Begründung der Jury: „Die große Kunst dieses Films liegt in seiner Offenheit: Er spielt mit den Fragen, statt eindeutige Antworten zu geben. Er überlässt die Einordnung, die Bewertung, das Urteil den Zuschauer*innen. […] Dennoch scheint immer wieder etwas von der großen Einsamkeit, der Suche nach Liebe auf, die uns alle betrifft. […] Goldhammer wird so zum Anti-Helden, der uns auf die Bruchstellen, die Gefährdungen unserer Zeit hinweisen kann.“
„Goldhammer“
Deutschland 2023,
Buch und Regie: André Krummel, Pablo Ben Yakov;
Kamera: André Krummel;
Ton: Pablo Ben Yakov;
Montage: André Krummel, Pablo Ben Yakov;
Produktion: Benjamin Leers (Glotzenoff);
Co-Produktion: Ümit Uludag, Erik Winker, Martin Roelly (Corso Film), Sebastian Lemke, Arne Birkenstock (Fruitmarket Kultur und Medien), Filmakademie Baden-Württemberg;
Förderung: MFG Baden-Württemberg, Mitteldeutsche Medienförderung (MDM).
Inhalt: Marcel Goldammer, schwuler Sex-Arbeiter im Ruhestand, will in die Politik und schnell nach oben. Nicht nur aus Überzeugung, sondern vor allem weil es geht. Und zwar bei den Neuen Rechten. Allerdings führt Marcel sein Leben weniger heimatverbunden als weltbürgerlich, weniger konservativ als queer, er ist nicht der typische „kleine Mann“, sondern ein Intellektueller ohne Studienabschluss und Lebemann mit Suchtproblemen. Geboren als deutscher Christ, lebt er heute als jüdischer Israeli in Tel Aviv und Berlin, liiert mit einem jungen Shanghaier, dessen scheinbar unendlicher Reichtum Marcels ausschweifenden Lebensstil ermöglicht. „Goldhammer“ blickt hinter die Fassade eines Millennials auf dem Weg zum Populisten und spürt einer Biographie nach, die widersprüchlicher kaum sein könnte – aber genau deshalb perfekt in unsere Zeit zu passen scheint.
Ehrenpreis für das Lebenswerk geht an Ulrike Ottinger
Zum vierten Mal wurde in diesem Jahr der Ehrenpreis für ein Lebenswerk vergeben. Der undotierte Preis zeichnet große Persönlichkeiten des Dokumentarfilms und ihre herausragenden Werke aus. In diesem Jahr wurde Ulrike Ottinger geehrt. Die 82-jährige Filmemacherin, Künstlerin und Fotografin gehört zu den bedeutendsten deutschen Filmeschaffenden. Ihre Filme erhielten national wie auch international viel Anerkennung und wurden vielfach preisausgezeichnet. Mariëtte Rissenbeek, die ihr den Preis überreichte, sagte über Ulrike Ottinger: „Ulrike Ottinger beobachtet, schaut, erforscht, durchdenkt, konzipiert. Ihre große Gabe ist das Hinschauen mit Augen, die immer neugierig und interessiert sind und dann diese Eindrücke in ganz eigene, anregende und pointierte Bilder und Gedanken zu fassen.“ Der Ehrenpreis des Deutschen Dokumentarfilmpreises wird gemeinsam vom SWR Dokufestival und der MFG vergeben.
Jury Deutscher Dokumentarfilmpreis
Alev Doğan (Politik-Journalistin und stellvertretende Chefredakteurin), Carl–Ludwig Rettinger (Autor und Produzent), Iris Wolff (Schriftstellerin), Lea Najjar (Regisseurin und Preisträgerin des Deutschen Dokumentarfilmpreises 2023), Marcus Lenz (Regisseur und Preisträger des Deutschen Dokumentarfilmpreises 2023).
Eine Übersicht der Preisträgerinnen und Preisträger finden Sie unter: www.deutscher-dokumentarfilmpreis.de