Jana Golombek ist wissenschaftliche Referentin/stellvertretende Museumsleitung am LWL-Museum Zeche Zollern und Co-Projektleitung des Ausstellungsprojekts "Das ist kolonial.". Lina Kumpmann betreut als Social Media Managerin die projekteigenen Kanäle auf Instagram und TikTok.
Für die März-Ausgabe des MFG Newsletter Digitale Kultur geben sie Einblicke in das Thema Krisenkommunikation im Museum – und zwar anhand ihrer Erfahrungen mit dem Projekt "Das ist kolonial".
"Das ist kolonial." stand 2024 auf der Shortlist für den Zukunftspreis KULTURGESTALTEN der Kulturpolitischen Gesellschaft.
Lange war Krisenkommunikation für das LWL-Museum Zeche Zollern in Dortmund kaum relevant. Das änderte sich schlagartig Ende August 2023 durch einen massiven rechten Shitstorm, der sich gegen die Einrichtung eines Safer Space-Zeitfensters in der Ausstellungswerkstatt "Das ist kolonial." richtete.
Kurz und knapp: über das Projekt und den Safer Space
Wie kann man im Museum kritisch diskutieren, unterschiedliche Perspektiven einbringen und vorhandene Lücken füllen? Diese und viele weitere Fragen begleiten das Projekt "Das ist kolonial.". Es besteht aus einer Ausstellungswerkstatt 2023 und der darauf aufbauenden Sonderausstellung "Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe"2024/25. Als ein Standort der acht LWL-Museen für Industriekultur, deren Arbeit sich an aktuellen gesellschaftlichen Diskursen orientiert, ging die Zeche Zollern mit der Ausstellungswerkstatt neue Wege: Mehr Partizipation und Transparenz (unter anderem durch einen eigenen Instagram-Kanal), intensive In- und Outreachprozesse sowie experimentelle Herangehensweisen. Auf diese Weise wurden zusammen mit unterschiedlichen Akteur*innen Inhalte, Methoden und Formate für die Sonderausstellung erarbeitet. Zentral war das Anliegen, Perspektiven von B(I)PoC (Black, Indigenous and People of Colour) zu gewinnen, die in der musealen Auseinandersetzung mit der Regionalgeschichte unterrepräsentiert sind. Über die Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit wurde mit einem Berater*innenkreis, den Critical Minds, diskutiert. Die Einrichtung eines Safer Space-Zeitraums, jeden Samstag von 10 bis 14 Uhr für Menschen, die persönlich von Rassismus betroffen sind, war ein Angebot von vielen.
Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße: Der Shitstorm
Das Zeitfenster wurde von Einzelpersonen und Gruppen genutzt, das Feedback war positiv. Nach sechs Monaten änderte sich das schlagartig. Mitglieder der Alternative für Deutschland hatten heimlich im Museum gefilmt und das Video auf TikTok veröffentlicht. Aufgrund der polarisierenden Aussage, das Museum betreibe "Rassismus gegen Weiße", wurde es vielfach auf allen gängigen Plattformen geteilt. Die Medienberichterstattung nahm stetig zu, während die Social-Media-Kanäle der Zeche Zollern nach dem Aufruf zum Boykott in rechten Telegram-Gruppen mit Hasskommentaren geflutet wurden. Hinzu kamen unzählige Anrufe, hunderte rufschädigende Google-Rezensionen und mehr als zweitausend Hass-Mails. Mitarbeitende des Museums wurden im Netz beschimpft. Am Museumseingang angebrachte Parolen alarmierten Polizei und Staatsschutz. Nach einigen Tagen verlagerte sich die Diskussion, unter anderem durch die Veröffentlichung eines Video-Statements der Museumsdirektorin und die Moderation von Kommentaren durch das Museum, in die breite Öffentlichkeit. Erstmalig gab es auch Zuspruch und positive Stimmen. Die angekündigte Demonstration von rechter Seite am darauffolgenden Samstag vor der Zeche Zollern blieb aus. Es gab Solidaritätsbekundungen von Institutionen, Initiativen und Bürger*innen. Viele Leute kamen, um sich selbst ein Bild zu machen. Für zusätzliche internationale Aufmerksamkeit sorgte ein Artikel in der Washington Post sowie dessen Übersetzung in mehrere Sprachen.
Krisenkommunikation: unsere Learnings
Rückblickend lässt sich der Verlauf des Shitstorms als Paradebeispiel für die Auswirkungen rechter Angriffe einordnen. Zugrunde liegt die Strategie, personelle Ressourcen zu binden und eine inhaltliche Auseinandersetzung zu verhindern. Dafür werden Narrative umgedreht und instrumentalisiert – in diesem Fall das vermeintliche Zutrittsverbot für Weiße. Social Media bietet die passenden Rahmenbedingungen: Einfach zu konsumierender Content dominiert, Nutzer*innen werden zu Multiplikator*innen, Filterblasen entstehen. Der Wahrheitsgehalt von Informationen wird meist nicht hinterfragt, wodurch Narrative befeuert werden. Diese spiegeln sich dann auch in journalistischen Anfragen wider.
Vollkommen ausweglos ist diese Situation aber nicht, denn mit guter Vorbereitung gibt es Möglichkeiten, der Maschinerie etwas entgegenzusetzen:
- Eine klare Haltung ist die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Krisenmanagement. Hier ist die Entwicklung eines internen Papieres sinnvoll, das die grundlegende Haltung des Hauses gegenüber dem Thema (in unserem Fall "(Post)Kolonialismus") klar definiert. Daraus können Formulierungen für die Beantwortung potenzieller Anfragen abgeleitet werden. Hier geht es vor allem darum, kritische Fragen zu antizipieren und unter Berücksichtigung der medienspezifischen Rahmenbedingungen Antworten zu formulieren (Presseanfragen können zum Beispiel ausführlicher beantwortet werden als Kommentare auf Social Media). Je spezifischer die Ausarbeitung, desto schneller kann im akuten Krisenfall reagiert werden. Auch für die Regelkommunikation ist ein internes Haltungspapier hilfreich, um die eigenen Kernbotschaften gezielt integrieren zu können.
- Die Zuständigkeiten innerhalb des Teams müssen definiert sein. Eine Notfallkette kann dabei helfen, Kommunikationswege festzulegen und die Weitergabe von relevanten Informationen zu gewährleisten. Auch Aspekte wie die Erreichbarkeit bestimmter Personen außerhalb der Dienstzeiten (zum Beispiel am Wochenende) und die Schnittstellen verschiedener Abteilungen sollten berücksichtigt werden.
- Angesichts der zentralen Bedeutung von Social Media sollte eine umfassende Betreuung der eigenen Kanäle gewährleistet sein. Zum einen geht es um die Früherkennung potenzieller Gefahren durch ein passgenaues Monitoring. Zum anderen ist die Moderation bei einem hohen Aufkommen an Kommentaren oftmals rund um die Uhr erforderlich und erfolgt im besten Fall nicht nur durch eine Person. Die Präsenz in den Kommentarspalten ist wichtig, um Falschinformationen zu widerlegen und positive Stimmen zu aktivieren. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass ein Shitstorm selten nur auf den eigenen Kanälen stattfindet. Problematisch wird es, wenn eine Institution auf Plattformen nicht durch einen eigenen Kanal vertreten und die Reaktionsfähigkeit somit eingeschränkt ist. Gerade Museen können aufgrund stark begrenzter personeller Ressourcen im Bereich Social Media nur wenige Plattformen bedienen. Hier muss abgewogen werden, was sinnvoll ist. Als eine Konsequenz aus dem Shitstorm haben wir uns zum Beispiel für einen zusätzlichen Projektkanal auf TikTok entschieden.
- Die psychischen Belastungen während eines Shitstorms sind enorm und subjektiv. Ein resilientes Team findet leichter einen Weg aus der Krise. Neben den Möglichkeiten einer psychologischen Betreuung ist es auch hilfreich, den juristischen Handlungsspielraum (arbeits- und medienrechtlich) zu kennen. Diesbezüglich ist auch der Austausch in Netzwerken sinnvoll, die im Krisenfall leicht aktiviert werden können.
Ausblick: Was bleibt?
Obwohl keine Krise der anderen gleicht, gibt eine gute Vorbereitung Sicherheit. Mit etwas Abstand reift außerdem die Erkenntnis, dass ein Shitstorm vorbeigeht und auch positive Effekte mit sich bringt. Für uns zählen dazu der bessere Zusammenhalt des Museumsteams, die erhöhte Sichtbarkeit des Projekts, das Vertrauen von und die intensive Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen sowie der konstruktive Austausch mit Kolleg*innen, Schulklassen und Einzelbesucher*innen. Das Projekt ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines demokratischen Miteinanders ohne Hass und Hetze.
*Dieser Beitrag erschien in einer ausführlicheren Version zuvor bereits in der Fachzeitschrift Museumskunde des Deutschen Museumsbund.