Gastbeitrag: Neue Perspektiven für die Kreativwirtschaft im Metaverse

Was kann die Kultur- und Kreativwirtschaft zum Metaverse beitragen? Das beleuchtet Anna Brinkschulte.

Porträtfoto einer Frau, die in die Kamera blickt.
Anna Brinkschulte moderiert das THE CREATIVE LÄND-Programm beim Kongress "Virtuelle Welten - Chancen im Metaverse erleben". | © Brinkschulte
| Stuttgart

Anna Katharina Brinkschulte ist Head of Interactive Media am Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg und arbeitet zudem als freie Projektleiterin und Creative Producerin im Bereich der Medienproduktion. Am 8. Mai moderiert sie das Programm im Ausstellungsbereich THE CREATIVE LÄND beim Kongress Virtuelle Welten – Chancen im Metaverse in Stuttgart. Für den Newsletter MFG Kreativ beleuchtet sie im folgenden Gastbeitrag die Chancen und Herausforderungen des Metaverse für die Kultur- und Kreativwirtschaft.

Was ist das Metaverse?

Das Metaverse oder Metaversum ist ein Begriff, der in den letzten Jahren wieder unglaublich an Aktualität gewonnen hat. Im Prinzip wird gerade alles als Metaverse bezeichnet, was mit neuen Technologien, mit virtueller Realität, mit einer digitalen Erweiterung unserer Welt zu tun hat. Doch was ist das Metaverse? Was gehört dazu und was nicht? Und wer macht die Regeln? Etwa Meta, deren Konzernname das Metaverse bereits im Namen trägt und die sich nach einer Milliardeninvestition von Facebook extra in Meta umbenannt haben, um den Glauben an diese neue virtuelle Zukunft zu demonstrieren?

Der Begriff Metaverse wurde erstmals 1992 in Neal Stephensons Science-Fiction-Roman "Snow Crash" verwendet und prägte mit seiner Popularität die Vorstellung einer virtuellen zweiten Realität, die von Avataren - unseren virtuellen Zwillingen - belebt wird.

Wenn wir heute vom Metaverse sprechen, denken wir daher oft an eine Second-Life-Anwendung in VR - eine zweite, virtuelle Gesellschaft - mit ähnlicher Infrastruktur, ähnlichen sozialen Strukturen und Prinzipien.

Das ist aber nur ein Teilaspekt des Metaversums.

Das Metaverse im Entstehen

Eine genaue Definition, was alles dazu gehört, gibt es nicht. Und das ist auch gut so. Das Metaverse ist im Entstehen, im Prozess und sollte in seinen Anfängen nicht durch unsere Vorstellungskraft begrenzt werden. Die Idee selbst ist "meta" - „jenseits“ unserer Begriffe - denn im Prinzip ist dort alles möglich. Grenzen setzt nur die aktuell zur Verfügung stehende Technologie.

Unterschiedliche Anwendungsszenarien

Wie im Internet gibt es aber auch im Metaverse die unterschiedlichsten Anwendungsszenarien. Professionell, im sogenannten Corporate oder auch Enterprise Metaverse, kann es zur räumlichen Visualisierung oder Inszenierung komplexer Systeme genutzt werden, zum Beispiel für Schulungen im medizinischen Bereich oder zur ortsunabhängigen Zusammenarbeit und Planung – alles im digital Twin. Im privaten Bereich, dem Consumer Metaverse, stehen Unterhaltung, Games und die private soziale Interaktion im Mittelpunkt.

Werden reale industrielle Prozesse, Produktionsanlagen und komplette Lieferketten in virtuellen, interaktiven 3D-Welten abgebildet, spricht man vom Industrial Metaverse. Dabei werden die digital gespiegelten Welten in der Endausbaustufe mit realen Datenströmen, Sensorinformationen und betrieblichen Abläufen in Echtzeit verknüpft, um eine exakte, dynamische und jederzeit aktuelle Abbildung der physischen Welt zu ermöglichen.

Immersion: Das Eintauchen in die virtuelle Welt

Technologien und Anwendungsszenarien sind nur ein Teil der Gleichung. Letztlich schaffen wir bei allem Erlebnisse. Immer. Wir erzählen Geschichten, wollen glauben, was wir erleben. Ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Metaverse immer wieder fällt: Immersion.

Die Immersion, das Eintauchen, das ganzheitliche Erleben, am besten mit vielen oder gar allen Sinnen, macht die Verbindung von realer und virtueller Welt eingängiger. So wird die virtuelle Welt verständlich und glaubwürdig. Wir lassen uns auf diese neue Welt ein und akzeptieren sie als unsere neue Realität.

Von der Vision zur Technologie

Der Begriff der Immersion ist allerdings nicht neu.

Die Idee von Brillen, die uns in Bilder, Filme und Klänge eintauchen lassen, ist viel älter. In seiner Kurzgeschichte „Pygmalion’s Spectacles“ aus dem Jahr 1935 beschreibt der amerikanische Autor Stanley G. Weinbaum eine Brille, die folgendes Erlebnis ermöglicht: „…einen Film, der einem Bilder und Klänge beschert, […], Geschmack, Geruch und Tastempfindungen. [...]. Du bist in der Geschichte, du sprichst zu den Schatten (Figuren), und sie antworten dir, statt auf einer Leinwand spielt sich die Geschichte um dich herum ab, und du bist mittendrin“.

Was Weinbaum 1935 noch erdachte, wurde 1962 mit dem vom Pionier Morton Heilig erfundenen Sensorama Wirklichkeit – zwar ohne Brille, aber in einer Kiste:

Man konnte eine Motorradfahrt erleben - mit wackelndem, ruckelndem Sitz, künstlichem Wind im Haar und dem Geruch der Straße in der Nase. Für damalige Verhältnisse waren die Entwicklungskosten jedoch zu hoch, so dass sich das Produkt am Markt nicht durchsetzen konnte.

Was beim Sensorama aber noch fehlte für die wahrhaftige Immersion war die eigene Wirksamkeit. Wir wollen, dass unsere Aktionen Reaktionen in Echtzeit hinterlassen. Wenn ich in dieser Welt Veränderungen vornehme, sei es an einem Ort oder an einer Sache, dann sollen diese Veränderungen für alle Nutzerinnen und Nutzer unmittelbar und nachhaltig sichtbar sein.

Soziale Interaktion im Metaverse

Eine weitere wesentliche Komponente des Metaverse ist die soziale Interaktion. Erst mit der technischen Errungenschaft des Internets und seiner Weiterentwicklung bis heute ist durch einen globalen, schnellen Datentransfer ein Austausch und Kommunikation unabhängig von Zeit und Raum möglich.

Mit dem weiteren technologischen Fortschritt der vergangenen Jahre, seien es Grafikkarten, Prozessoren, Game-Engines und darauf aufbauend Online-Multiplayer-Spiele, hat sich auch das Umfeld der virtuellen Realität weiterentwickeln können.

Wie die Kultur- und Kreativwirtschaft beitragen kann

Wenn wir nun Anwendungen im Metaverse entwickeln, müssen diese einer visuellen Ästhetik entsprechen, sich aber vor allem gut anfühlen.

Genau hier kann die Kreativwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten: So wie das Metaverse selbst durch die Verknüpfung und Verbindung unterschiedlichster Technologien und Informationen über Schnittstellen entsteht, so interdisziplinär und offen sollten wir auch bei der Entwicklung der Inhalte und Möglichkeiten vorgehen.

Die Erfahrungen aus der Spieleindustrie können nicht nur einen starken technisch-visuellen Beitrag für echtzeitfähige, renderoptimierte Grafikprozesse leisten, sondern auch die Usability, das Experience Design und das Play & Feel bereichern.

Hier sind Kreative gefragt, die sich in Welten hineinversetzen und die Erlebnisse neu denken, Geschichten non-linear aus der Perspektive des Nutzers oder der Nutzerin erzählen. Die Schnittstelle Mensch-System in allen Designprozessen mitdenken.

Es braucht Softwareentwickler*innen, Designer*innen, Architekt*innen, Soundkünstler*innen...

Es braucht aber auch die Psycholog*innen, die das Feel wissenschaftlich erforschen.

Es braucht die Soziolog*innen, die sich mit den neu zu entwickelnden sozialen Strukturen auseinandersetzen.

Es braucht die Philosoph*innen, die unseren moralischen Kompass justieren.

Es braucht die Expert*innen, die genau das Wissen haben, das im fachlichen Zentrum der Anwendung steht.

Es braucht uns alle - denn gemeinsam sollten wir diese virtuelle Zukunft gestalten. Mit Neugier, Mut und Empathie - dezentral, vielfältig und innovativ.

Beim Kongress ins Metaverse eintauchen

Beim Kongress „Virtuelle Welten – Wirtschaftliche Chance im Metaversum“ am 8. Mai 2025 lädt die MFG Baden-Württemberg das Fachpublikum, aber auch eine interessierte Öffentlichkeit ein, die Welt des Metaverse aus der Perspektive und mit den Kompetenzen der Kultur- und Kreativwirtschaft kennenzulernen.

Unternehmen aus der baden-württembergischen Kreativszene sind beim THE CREATIVE LÄND Space vertreten. Projekte aus den Bereichen Games, VR / AR / XR, aber auch Applikationen aus Cross -Innovation und Forschung können vor Ort erlebt werden.

Auf der THE CREATIVE LÄND-Stage geben bildstarke Best-Cases inspirierende Talks von der ersten Inspiration, über die Emotion bis hin zur entwickelten Applikation. Abgerundet wird dies mit einem Talk zur Reflektion über das Social Metaverse.

14:00 – 14:15 Uhr: THE CREATIVE LÄND-Stage Opening

Moderation: Anna Katharina Brinkschulte

Opening: WM & MFG

14:15-14:45 Uhr: Inspiration durch Kreation

Input-Talk: Dan Franke, VR-Artist Spacelime Studios, Stuttgart

Diskussion / Q&A

14:45-15:00 Uhr: Pitch & Connect
Ausstellende "Games BW & Interactive Media"

15:00-15:15 Uhr: Immersion durch Emotion

Input-Talk: Daniel Deboy, DELTA Soundworks, Heidelberg

Diskussion / Q&A

15:15-15:30 Uhr: Pitch & Connect
Ausstellende "Visuelle Kommunikation & Medien"

15:30-16:15 Uhr: Applikation durch Cross Innovation

Produktpräsentationen und Erfahrungsberichte aus dem Förderprogramm KMU Transfer KREATIV und anderen Programmen

Diskussion / Q&A

16:15-16:30 Uhr: Pitch & Connect

Ausstellende "Cross Innovation"

16:30-17:00 Uhr: Reflektion: Creativity & Social Metaverse

Input-Talk: Marine Boulot, CCO The Metaverse Society, London

Diskussion / Q&A

17:00-17:10 Uhr: Recap & End

Quelle: Anna Katharina Brinkschulte
Bitte weitersagen. Teilen Sie diesen Beitrag.